Redebeitrag von Avanti-Projekt undogmatische Linke

Liebe Freundinnen und Freunde,

Der NATO-Angriff auf Jugoslawien ist ein illegaler Akt der Aggression, eine klare Verletzung des Völkerrechts. Die mörderischen Bombardierungen fordern täglich Opfer – unter den Soldaten ebenso wie unter der Zivilbevölkerung. Der Krieg hat die Situation für die Kosovo-AlbanerInnen dramatisch verschärft und die "humanitäre Katastrophe", die angeblich verhindert werden sollte, erst möglich gemacht.

Wir fordern die sofortige und bedingungslose Einstellung des NATO-Angriffs! Schluß mit den Bomben und Raketen! Schluß mit dem Morden! Es reicht!

Angeblich geht es der NATO um die Verteidigung der Menschenrechte und um die Verhinderung eines Völkermords. Glaubt ihnen kein Wort! Kriegführende Staaten waren noch nie um Rechtfertigungen für ihr mörderisches Tun verlegen.

Die Doppelmoral der Herren Scharping und Fischer ist unerträglich. Im Falle der Türkei – um nur ein Beispiel zu nennen – hat es niemals eine Drohung oder auch nur Einflußnahme der NATO gegeben, um die gewiß nicht minder brutale Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung zu beenden. Dort sind tausende Dörfer zerstört worden und hunderttausende zu Flüchtlingen geworden. Doch das NATO-Mitglied Türkei wird sogar noch mit Waffen beliefert, um diesen schmutzigen Krieg fortsetzen zu können. Strategische und wirtschaftliche Interessen sind es, die die NATO leiten, das Gerede von Humanität ist lediglich die Propaganda, um diese Tatsache zu überdecken.

Eine Verhandlungslösung für den Kosovo ist nicht zuletzt daran gescheitert, daß die NATO darauf bestanden hat, es müßten ihre Truppen sein, die den Frieden im Kosovo überwachen. Jetzt spielt sich der Brandstifter als Feuerwehrmann auf, eine Rolle, für die die NATO keinerlei völkerrechtliche und noch viel weniger eine moralische Legitimation hat.

In der Logik des Krieges liegt seine weitere Eskalation. Militärisch gibt es zwischen der Einstellung der Angriffe auf der einen Seite und der Entfesselung eines Landkrieges auf der anderen Seite keine sinnvolle Alternative. Politisch können und wollen die NATO-Staaten das Scheitern ihres Luftkrieg-Szenarios nicht einräumen. Daher werden sie über kurz oder lang die Invasion Jugoslawiens befehlen – ungeachtet der mit Händen zu greifenden Gefahr, damit den gesamten Balkan in einen langdauernden, blutigen Krieg zu stürzen.

Auch um dies zu verhindern, muß den NATO-Kriegstreibern jetzt schnell das Handwerk gelegt werden!

So eindeutig unsere Stellungnahme gegen die NATO-Aggression auch ist. Mit dem aggressiven Nationalismus des Milosevic-Regimes kann es für die Linke und die Friedensbewegung keinerlei politische Gemeinsamkeiten geben. Die Politik der ethnischen Vertreibung darf nicht verharmlost oder schöngeredet werden. Der Feind unseres Feindes kann in diesem Fall nicht unser Freund sein. Unsere Solidarität muß denjenigen gehören, die sich für ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen einsetzen, die deutlich gegen jede nationalistische Hetze auftreten, gleich ob sie von serbischer oder albanischer Seite kommt. Die Spielräume für eine solche Politik sind in Jugoslawien derzeit äußerst gering – auch dies ist eine fatale Folge der NATO-Aggression.

Zu einer Lösung am Verhandlungstisch gibt es keine Alternative – auch wenn dieser Weg schwierig und langwierig sein mag. Das Argument, daß "doch irgendetwas getan werden müsse", wenn Verhandlungen versagen, scheint nur auf den ersten Blick plausibel. Denn wenn dieses "irgendetwas" eine unaufhaltsame militärische Eskalation bedeutet, verkehrt sich der moralische Anspruch in eine mörderische Verantwortungslosigkeit.

Die Bundesrepublik ist ein Hardliner in der Kriegskoalition. Während in anderen NATO-Staaten die kritischen Stimmen zunehmen, setzt die Bundesregierung allein auf die militärische Lösung. Eine Kritik, die Deutschland lediglich am Rockzipfel der USA in den Krieg stolpern sieht, geht deswegen fehl. Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik ist seit Jahren planmäßig vorangetrieben worden. Scheibchenweise hat man sich von Sanitätssoldaten über Blauhelme bis hin zu Kampfeinsätzen vorgearbeitet. Nun bleibt als letzte Salamischeibe noch der Einsatz der Bundeswehr am Boden übrig – und das Messer ist schon angesetzt.

Die Jugoslawienpolitik der BRD nach 1989 hat den ethnischen Separatismus planmäßig gefördert und stets Öl ins Feuer gegossen, anstatt zu löschen oder – was wahrscheinlich das Beste gewesen wäre – sich einfach herauszuhalten.

Die anti-serbische Parteinahme, steht in der Kontinuität der Politik des deutschen Imperialismus im 1. und 2. Weltkrieg. Nach 1941 bombardieren heute erneut deutsche Truppen Jugoslawien, die Kinder und Enkel der Opfer der faschistischen Aggression werden erneut zur Zielscheibe deutscher Waffen – diesmal im Namen der "Humanität".

Das – voraussehbare – Flüchtlingselend wird jetzt zur Munition für die Propaganda der Kriegsfortsetzung und Kriegseskalation. Noch vor kurzem hat Deutschland Flüchtlinge in den Kosovo abgeschoben. Jetzt redet man Völkermord, der bereits lange geplant sei. Eine zynische Doppelzüngigkeit, die Berufung auf die Menschenrechte ein weiteres Mal als Propaganda entlarvt.

Geht es tatsächlich um die Flüchtlinge, kann es jetzt nur heißen: Die Grenzen auf! Stattdessen wir ein kleinen Bruchteil der Kriegkosten für Alibi-Hilfsmaßnahmen aufgewendet, die zudem verhindern sollen, daß die Flüchtlinge sich auf den Weg nach Deutschland machen.

Ein kurzes Wort zu der gestrigen Erklärung des Bundesvorstandes der GRÜNEN. Sie hatten von der Bundesregierung eine diplomatische Initiative verlangt, um Milosevic ein neues Angebot zu unterbreiten. Der einzige Unterschied zur bisherigen NATO-Position besteht darin, daß die selben NATO-Soldaten die im Kosovo stationiert werden sollten, mit einem UN-Mandat ausgestattet würden. Ansonsten erwarten auch die GRÜNEN von Jugoslawien quasi die Kapitulation. Sie fordern – in Person von Angelika Beer – gar die Fortsetzung der Bombardements. Und sie redeten zwar – zu Recht – über die Situation der Flüchtlinge, verloren aber über die Opfer der NATO-Bomben nicht ein einziges Wort. Die Initiative bleibt so ein Bluff zur Beruhigung der eigenen Mitglieder – mit Einsatz für den Frieden hat dies nichts zu tun.

In dieser Situation kommt den Mitgliedern und FunktionärInnen von SPD und GRÜNEN besondere Verantwortung zu, die sich im Gegensatz zu ihren Führungen gegen den NATO-Angriffskrieg wenden. Wir begrüßen ausdrücklich diejenigen Grünen und SozialdemokratInnen, die heute hier sind. Ihr steht in der Verantwortung, in Euren Organisationen die Kriegstreiber zurückzudrängen. Die Parteidisziplin ist in Fragen von Krieg und Frieden ein falscher Ratgeber. Wir bieten Euch für Eure schwierigen Auseinandersetzungen unsere Unterstützung und unsere Solidarität.

Insgesamt geht es jetzt darum, eine breite Anti-Kriegs-Bewegung zu formieren. Alle, die sich für einen sofortigen und bedingungslosen Stopp der NATO-Angriffe einsetzen, müssen jetzt zusammenarbeiten. Für kleinliche Zwistigkeiten und Haarspaltereien ist es die falsche Zeit. Laßt uns offen streiten über Einschätzungen und den einzuschlagenden Weg, aber laßt uns dann gemeinsam handeln, um diesen Krieg zu stoppen!

Der Widerstand muß jetzt in die Organisationen und der Widerstand muß auf die Straße! Dafür ist diese Demonstration ein wichtiger Schritt. Es geht aber darum, auch langfristig einen anti-militaristischen Widerstand wieder aufzubauen. Denn Serbien wird nicht der letzte unbotmäßige Staat gewesen sein, den deutsches und NATO Militär meinen, in die Schranken weisen zu müssen. Wer soll den erneuten Marsch der Gesellschaft in den Militarismus aufhalten, wenn nicht wir alle gemeinsam?

Unsere erste Forderung ist klar: Die NATO-Aggression muß sofort beendet werden. Die Angriffe der NATO sind illegal, verantwortungslos und verbrecherisch. Schluß damit!

AVANTI – Projekt undogmatische Linke

Kiel, 3. April 1999

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